Endometriose- Teil 1
Was ist Endometriose und psychische Auswirkungen auf die weibliche Identität
Was ist Endometriose?
Endometriose zählt zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Gynäkologie. Während der fruchtbaren Lebensphase einer Frau ist sie eine chronische Erkrankung und derzeit ursächlich nicht heilbar. Die Endometriose ist Hauptursache von Unterbauchbeschwerden und Unfruchtbarkeit, zeigt sich jedoch in unterschiedlichsten Ausprägungen und Beschwerdebildern.
Als Endometriose wird das Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut und Drüsen, in seltenen Fällen auch Muskulatur, außerhalb der Gebärmutterhöhle bezeichnet. Die Endometriome können Organstrukturen besiedeln, die innerhalb und außerhalb des Bauchraumes liegen und zu entsprechend spezifischen Symptomen führen. Die Endometrioseherde haben Hormonrezeptoren für die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron. Dementsprechend reagieren die Herde auf den weiblichen Zyklus, besonders auf Östrogen.
Während der ersten Zyklushälfte wird vermehrt Östrogen gebildet, was zum Wachstum der Gebärmutterschleimhaut und der Endometrioseherde führt. In der zweiten Zyklushälfte verstärkt sich der Einfluss von Progesteron. Dadurch kommt es zur „Lockerung“ der aufgebauten Gebärmutterschleimhaut und schließlich durch den hormonellen Abfall beider Hormone zur Blutung.
Wie oft kommt Sie vor und wie wird sie diagnostiziert?
Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird je nach Quelle auf ca. 40.000 beziffert, dies betrifft ca. 10-15% der geschlechtsreifen Frauen.
In den Statistiken werden keine asymptomatischen Verläufe berücksichtig, so dass die Zahl der Betroffenen weitaus höher angegeben werden kann. Außerdem kann die frühzeitige Einnahme hormoneller Kontrazeptiva die Erkrankung maskieren.
Die Zeitspanne zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung liegt auf Grund der variationsreichen Beschwerden zwischen 6-8 Jahren. Bei Patientinnen mit Kinderwunsch wird die Diagnose im Durchschnitt nach 2-3 Jahren gestellt, da eher die Indikation für eine Laparoskopie (Bauchspiegelung) gestellt wird und die ausbleibende Schwangerschaft einer differenzialdiagnostischen Abklärung bedarf.
Außerdem kann die Ausprägung der Symptome, das individuelle Schmerzempfinden, Einnahme hormoneller Verhütungsmittel und das Verhältnis zwischen Arzt/Ärztin und Patientin einen Einfluss auf den Zeitpunkt der Diagnosestellung nehmen.
Was sind typische Symptome?
Die Symptome und Beschwerdebilder der Endometriose sind variationsreich. Die Verläufe können sowohl symptomatisch, symptomarm oder asymptomatisch sein und zyklusabhängig oder zyklusunabhängig auftreten. Ein Zusammenhang zwischen Beschwerden und Befund ist nicht automatisch gegeben. Die Symptome können mit der Größe und Lage der Endometrioseherde, der körperlichen und seelischen Konstitution der Betroffenen, weiteren Begleiterkrankungen und der Schmerzsensibilität zusammenhängen.
Typische Beschwerdebilder nach abnehmender Häufigkeit (Ballweg 2004)
- Schmerzhafte Regelblutung (ca.95%)
- Unterbauchschmerzen (ca. 85%)
- Übelkeit (82%)
- Darmsymptome (78%)
- Starke Blutungen über den normalen Zyklus hinaus(65%)
- Sexuelle Funktionsstörungen (60%)
- Kopfschmerz, Schwindel
- Magenbeschwerden
- Kinderlosigkeit
- Häufige Infekte
- Subfebrile Temperatur
- Rückenschmerzen
Psychische Auswirkungen auf die weibliche Identität
Ich möchte an dieser Stelle auf einige psychische Belastungsfaktoren eingehen, die für Patientinnen eine Rolle spielen können. In der klassischen schulmedizinischen Therapie finden sie eher sekundär Beachtung. Für die Betroffenen können sie von großer Bedeutung sein und das Leben mit Endometriose maßgeblich prägen.
Die Erkrankung kann die Identifikation mit der eigenen Weiblichkeit schmerzlich verändern. Dabei spielt das Alter eine zweitrangige Rolle. Die Entwicklung vom jungen Mädchen, zur fertilen bis reifen Frau folgt einem zyklischen Verlauf und jede Lebensphase ist von eigenen Vorstellungen, Wünschen und Selbstwahrnehmungen geprägt.
Mit dem Eintreten in die Pubertät verändern sich die sekundären Geschlechtsmerkmale, das Gehirn wird mit einer Östrogenflut durchströmt und für die meisten Mädchen ist das Einsetzten der Menarche (1. Regelblutung) der erste bewusste Moment im Erleben als Frau. Die Pubertät und die damit verbundenen hormonellen Prozesse und Veränderungen rufen häufig Verunsicherungen, Ängste und Gefühlschaos hervor. Das „eigene Ich“ befindet sich auf einer emotionalen Achterbahnen ist auf der Suche nach Identität und Autonomie. Junge Mädchen beginnen ihren eigenen Körper neu zu entdecken. Es entwickelt sich zunehmend Interesse an Sexualität, dem eigenen Aussehen und die selbstempfundene Attraktivität spielt eine immer größere Rolle. Die zunächst herbeigesehnte Menstruation kann in dieser Lebensphase auch schnell als attraktivitätsmindert und lästig empfunden werden. Junge Mädchen, die schon früh von einer symptomatischen Endometriose betroffen sind, können die natürliche Entwicklung zur Frau sehr schnell negativ besetzen. Das kann zu Störungen des Selbstverständnisses, Ängsten oder Ausgrenzung führen. Besonders in jungen Jahren werden schmerzhafte, unregelmäßige und starke Regelblutungen sowie Unwohlsein häufig als „Zipperlein“ abgetan, wodurch sich junge Mädchen weiter stigmatisiert fühlen und das eh schon schambesetzte Thema tabuisieren. Wichtig sind einfühlsame Vertrauenspersonen und Wegbegleiter*innen, die die geschilderten Beschwerden ernst nehmen und unterstützend auf die Betroffenen eingehen. Einem Verdacht auf Endometriose sollte nachgegangen werden, um den Leidensweg und die lange Diagnoseverzögerung (Symptombeginn bis Diagnose 6-8 Jahre) zu verkürzen. Dann kann früh und langfristig auf allen Ebenen interveniert werden.
Während des jungen Erwachsenenlebens ist Sexualität eher von Neugier, Ausprobieren und dem Sammeln von Erfahrungen geprägt. Ein erfülltes Sexualleben stärkt das eigene Selbstvertrauen, prägt die Körperwahrnehmung und fördert die Bindung erster fester Partnerschaften. Ein Großteil, der von symptomatischer Endometriose betroffenen Frauen, leiden unter chronischen Schmerzen und Beschwerden körperlicher und seelischer Natur. Das kann nicht nur für sie, sondern auch für ihre Partner*innen eine emotionale und praktische Herausforderung sein. Empathie, Rücksichtnahme und eine offene Kommunikation werden umso mehr Grundsäulen einer vertrauensvollen Partnerschaft. Die Diagnose Endometriose wird häufig erst im Zusammenhang mit einem unerfüllten Kinderwunsch oder vermehrten Aborten/Fehlgeburten gestellt. Da kann für Frauen als traumatisch empfunden werden und tiefgreifende Folgen für ihre psychische und soziale Gesundheit haben. Vielen Frauen verknüpfen die Mutterschaft mit dem Sinnbild der Weiblichkeit, gerade wenn ihnen dieser Wunsch/ Traum versagt bleibt oder erschwert ist. Der Erwartungsdruck, der möglicherweise von außen hinzukommt, wird die Situation noch verschlimmern.
Die Diagnose Endometriose ist allerdings kein absolutes Ausschlusskriterium für eine erfolgreiche Schwangerschaft!
Die Ursachen und Mechanismen der Erkrankung sind bis heute nicht genau geklärt. Deshalb kann die Endometriose nur symptombezogen behandelt werden. Im Vordergrund der schulmedizinischen Therapie stehen Hormon – und Schmerztherapien. Die Endometrioseherden siedeln sich häufig an Organstrukturen des kleinen Beckens an, können aber auch Organe des Bauchraumes betreffen. Dadurch können sie die Funktionalität der entsprechenden Organe einschränken, was operative Eingriffe erfordert.
Die jahrelangen Hormon- und Schmerzbehandlungen, sowie mögliche operative Eingriffe, bis hin zur Gebärmutter- und Eierstockentfernung oder resultierenden Komplikationen, das Leben der Frau bestimmen. Neben den psychosozialen und körperlichen Folgen können aber auch praktische Probleme, wie beispielsweise hohe Fehlzeiten/Krankheitstage (Schule/Studium/Arbeitsplatz), hohe Behandlungskosten oder finanzielle Existenzängste eine Rolle spielen.
Teil 2 Endometriose & Naturheilkunde
Lesen Sie im zweiten Teil, welche naturheilkundlichen Behandlungsansätze bei Endometriose unterstützend wirken können.
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